Ein Freund beschäftigt sich derzeit mit einem «Lessons learned» eines recht prominenten Projektes, das vergangenes Jahr in die Binsen ging. Verständlicherweise will man in so einem Fall die gemachten Fehler finden, daraus lernen und diese so in Zukunft vermeiden.

Leider hat das bei mir mal wieder einen Denkprozess ausgelöst: Entstehen unsere Erfolge wirklich dadurch, dass wir alle Fehler vermeiden? Hat Fehlervermeidung überhaupt einen signifikanten Anteil am Gelingen eines erfolgreichen Projektes?

In meiner Erfahrung führt der Drang zur Fehlervermeidung zu Microcontrolling. Und Microcontrolling seinerseits führt dann dazu, dass wir genau aufzeigen können, warum die meisten unserer Projekte auf die eine oder andere Art scheitern. Mir persönlich ist vage erklärbarer Erfolg ja wesentlich lieber als detailliert nachvollziehbarer Misserfolg.

Sollen wir jetzt auf Fehler pfeifen?

versteht mich nicht falsch: Ich bin absolut der Meinung, dass man sich seine Fehler eingestehen, diese genau anschauen und sie dann in Zukunft – wenn möglich – vermeiden sollte. In einer grösseren Organisation sollte man den Mitarbeitern auch die Möglichkeit geben, aus den Fehlern anderer zu lernen. So gesehen macht ein «Lessons learned» nach dem Scheitern eines Projektes Sinn.

Aber: Soll eine Organisation wirklich nur aus Fehlern lernen? Wollen wir unseren Erfolg ausschliesslich auf unseren Misserfolgen aufbauen? Was ist denn mit den besonders erfolgreichen Projekten? Warum werden die nicht analysiert?

Das ist ein bisschen so, als ob ein Tenniscoach seinen Schützling zu einem Match von mir bringt, ihn zum Zuschauen zwingt und dann sagt: «So, jetzt weisst Du, wie es nicht geht.» Sicher würde ein guter Coach eher auf die Leistungen und den Stil von erfolgreichen Spielern, wie Djokovic, Nadal, Wawrinka oder Federer eingehen.

Und im Projektmanagement ist es doch auch so, dass man aus der Analyse eines aussergewöhnlich erfolgreichen Projektes mindestens genauso viel lernen kann wie aus der eines fehlgeschlagenen.

Und was sollen wir machen?

Meine Idee ist recht einfach: Nehmt Euch ein ausgesprochen erfolgreiches Projekt in Eurer Organisation, eins bei dem der Auftraggeber überdurchschnittlich zufrieden ist oder das aus einer kritischen Lage noch zum Erfolg kam. Schnappt Euch die Beteiligten (Auftraggeber, Projektleiter, Techniker, …) und führt Interviews mit ihnen. Versucht herauszufinden, was zum Erfolg beitrug:

• Was war besonders gut im Projekt, was sehen sie als Erfolgsfaktoren?
• Welche Probleme traten auf und wie wurde mit ihnen umgegangen?
• Was hätte man (noch) besser machen können?

Aus diesen Gesprächen und den Antworten können wir mehr lernen und mehr Inspiration gewinnen als bei den meisten fehlgeschlagenen Projekten. In diesem Sinne: Learn from the best.